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Einhorn zieht in die Welt

Das KI-Unternehmen G2K wurde an den US-Konzern ServiceNow verkauft – zu einem hohen Preis. Auch Berlin könnte durch neue Arbeitsplätze profitieren.
Nach dem Verkauf des KI-Spezialisten G2K wird auch die Hauptstadt profitieren. „Der amerikanische Käufer ServiceNow wird das Berliner Büro als globales Headquarter für das Segment Retail ausbauen und hier neue Arbeitsplätze schaffen. Das ist eine riesige Chance für Berlin“, betont Karsten Neugebauer, der das Unternehmen vor zehn Jahren mit seinem Partner Omar El Gohary gegründet hatte. „Aber auch der deutsche Markt insgesamt wird gewinnen, weil die Amerikaner den Einsatz der boomenden Zukunftstechnologie von hier aus vorantreiben werden.“
Schon früh hatten Neugebauer und Gohary das Potenzial von KI erkannt und konnten nicht nur internationale Kunden überzeugen. Im Mai dieses Jahres sorgte das Duo mit dem nach Angaben des Bundesverbandes Künstliche Intelligenz größten KI-Deal in Deutschland für Schlagzeilen. Der weltweit tätige US-Konzern ServiceNow, an dessen Spitze der ehemalige SAP-Chef Bill McDermott steht, will für den KI-Spezialisten laut Branche einen hohen dreistelligen Millionenbetrag zahlen. Auch Google und Microsoft sollen Interesse an G2K gehabt haben.
G2K – die Abkürzung steht für „Good to know“ – ist zwar in München im Handelsregister eingetragen, hat aber sein Headquarter in Berlin. Aktuell beschäftigt G2K gut 250 Mitarbeitende in Deutschland (davon ungefähr 65 in Berlin) sowie in Ägypten, Dubai und Mexiko. Den Erfolg der Parsifal genannten KI-Plattform von G2K erklärt Neugebauer damit, dass Supermärkte durch die Auswertung riesiger Datenmengen ihre Prozesse sehr viel effizienter gestalten können, angefangen von der Sortimentspolitik über die Produktpräsentation bis hin zu einwandfrei arbeitenden Kühlketten. Mithilfe von ServiceNow kann das Geschäftsmodell jetzt weltweit skaliert werden.
Zu den Verkäufern zählt auch der Berliner Unternehmer Harald Christ. Erst vor zwei Jahren hatte sich der gebürtige Wormser mit seiner Berliner Kommunikations- und Investmentfirma Christ & Company Consulting GmbH bei G2K mit gut 20 Prozent beteiligt und offenbar ein gutes Gespür bewiesen. Laut Branchendienst Business Insider soll der Unternehmer dafür einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag investiert haben und jetzt einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag erlösen. Christ selbst nennt keine Zahlen.
Warum ein so erfolgreicher Ausstieg gelingen könnte – mit der Entscheidung der Behörden wird im dritten Quartal 2023 gerechnet –, erklärt Christ vor allem damit, dass er sich nicht auf die Rolle des Investors beschränkt. Der KI-Pionier G2K habe nicht nur von der Expertise Christs in den Bereichen KI und Internet of Things (IoT) profitiert, sondern auch von dem eng geknüpften Netzwerk des umtriebigen Unternehmers, der seit diesem Jahr auch im Aufsichtsrat der Commerzbank sitzt und viele Jahre als Banker gearbeitet hat. „Wir haben gemeinsam die alte Gesellschafterstruktur bereinigt und kleinere Investoren herausgekauft, eigenes Geld zur Zwischenfinanzierung bereitgestellt und das Unternehmen bei der weiteren Skalierung begleitet“, unterstreicht Christ. „Dass G2K aber so schnell an einen strategischen globalen Partner verkauft wurde, war so nicht geplant.“ Das Interesse an der KI-Technologie sei jedoch sehr groß gewesen.
Der Deal fällt in eine für junge Technologiefirmen schwierige Zeit. Rekordinflation, Zinswende, Ukrainekrieg und Wirtschaftsflaute haben Geldgeber, Investoren wie auch Käufer vorsichtig werden lassen. Jungunternehmen erhielten 2022 gemäß EY 9,9 Mrd. Euro, 43 Prozent weniger als 2021. Die Zahl der Start-up-Neugründungen ist im selben Zeitraum laut Bundesverband Deutsche Startups bundesweit von 3.196 auf 2.618 gesunken. Mit 14,5 Neugründungen pro 100.000 Einwohnern war München erstmalig vor Berlin (13,6) die gründungsstärkste Stadt.
Der Deal zeige, so Christ, dass es sich lohne, zu gründen, aber auch zu investieren. Nachholbedarf sieht er vor allem bei der Risikobereitschaft von Investoren. Als Bremse wirkten zudem die hohe Bürokratie, der schwierige Zugang zu Fördermitteln und eine zu geringe Berücksichtigung von Start-ups bei staatlichen Aufträgen.
Von Eli Hamacher